Allgemeinverfügung
Allgemeinverfügung des Landratsamtes Aschaffenburg zu Wasserentnahmen aus oberirdischen Fließgewässern
vom 17.08.2022
Das Landratsamt Aschaffenburg erlässt gemäß Art. 18 Abs. 3 des Bayerischen Wasser-gesetzes (BayWG) und gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i. V. m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG folgende
Allgemeinverfügung:
I. Präambel:
Aufgrund der anhaltenden Trockenheit und der seit Wochen bzw. Monaten fehlenden Niederschläge haben sich in den Fließgewässern im Landkreis Aschaffenburg sehr niedrige Wasserstände eingestellt. Um die Lebensgrundlage Wasser, gewässerökologische Belange und das Wohl der Allgemeinheit zu schützen wird die Wasserentnahme aus allen oberirdischen Fließgewässern im Landkreis Aschaffenburg untersagt
II. Allgemeinverfügung:
1. Wasserentnahmen im Rahmen des Gemeingebrauchs § 25 WHG i. V. m. Art. 18 BayWG werden für alle oberirdischen Fließgewässer im Landkreis Aschaffenburg – mit Ausnahme des Gewässers Main – bis einschließlich 30.09.2022 untersagt.
Damit ist jede Wasserentnahme auch das Schöpfen mit Handgefäßen z. B. Eimer, Gießkannen aus oberirdischen Fließgewässern verboten, sofern diese nicht durch das Landratsamt Aschaffenburg ausdrücklich (z. B. mit Bescheid) zugelassen wurde.
Von dieser Regelung ist der Main als Gewässer I. Ordnung dahingehend ausgenommen, dass hier eine Wasserentnahme mit Handgefäßen (z. B. Eimer oder Gießkanne) gestattet ist.
2. Wasserentnahmen aus Fließgewässern im Rahmen des Eigentümer- und Anliegergebrauchs gemäß § 26 WHG werden ebenfalls für alle oberirdischen Gewässer im Landkreis Aschaffenburg – mit Ausnahme des Gewässers Main – bis einschließlich 30.09.2022 untersagt.
Damit ist jede Wasserentnahme – auch die Entnahme von geringen Mengen – aus oberirdischen Fließgewässern verboten, sofern diese nicht durch das Landratsamt Aschaffenburg ausdrücklich (z. B. mit Bescheid) zugelassen wurde. Ausgenommen von der Regelung ist auch hier der Main als Gewässer I. Ordnung.
3. Das Landratsamt Aschaffenburg kann als Untere Wasserrechtsbehörde auf Antrag eine widerrufliche Ausnahme von den Verboten in den Ziffern II 1. und 2. dieser Allgemeinverfügung erteilen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern oder das Verbot im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führt.
4. Die sofortige Vollziehung dieser Allgemeinverfügung wird angeordnet.
5. Diese Allgemeinverfügung tritt ab dem Tag nach ihrer ortsüblichen Bekannt-machung in Kraft.
III. Begründung:
Das Landratsamt Aschaffenburg ist als Kreisverwaltungsbehörde für den Erlass dieser Allgemeinverfügung sachlich und örtlich zuständig gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayWG.
Der Erlass der Allgemeinverfügung in der Ziffer II. 1. stützt sich auf Art. 18 Abs. 3 Satz 1 BayWG. Demnach kann die Kreisverwaltungsbehörde die Ausübung des Gemeingebrauchs i. S. d. § 25 WHG verbieten, um die Gewässer und die Natur, insbesondere seine Tier- und Pflanzenwelt zu schützen.
Der Erlass der Ziffer II.2. stützt sich auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i. V. m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG. Demnach ordnet das Landratsamt Aschaffenburg als zuständige Kreisverwaltungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG darf jede Person unter den Voraussetzungen des § 25 WHG, soweit eine erhebliche Beeinträchtigung des Gewässers und seiner Ufer sowie der Tier- und Pflanzenwelt nicht zu erwarten ist, außerhalb von Schilf- und Röhrichtbeständen oberirdische Gewässer zum Schöpfen mit Handgefäßen benutzen. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 3 ist zudem die Entnahme in geringen Mengen für das Tränken von Vieh und den häuslichen Bedarf der Landwirtschaft im Rahmen des Gemeingebrauchs grds. zulässig. Gemäß § 26 Abs. 1 WHG ist für die Benutzung eines oberirdischen Gewässers durch den Eigentümer oder die durch ihn berechtigte Person für den eigenen Bedarf eine Erlaubnis oder Bewilligung nicht erforderlich, wenn dadurch keine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffen-heit, keine wesentliche Verminderung der Wasserführung sowie keine andere Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu erwarten sind. Dies gilt gemäß § 26 Abs. 2 WHG auch für die Eigentümer der an die oberirdischen Gewässer grenzenden Grundstücke und die zur Nutzung dieser Grundstücke Berechtigten (Anlieger).
Nach Beurteilung des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg (amtlicher Sachver-ständiger in der Wasserwirtschaft) haben die lange Trockenheit und die hohen Temperaturen der letzten Wochen deutliche, negative Auswirkungen auf den ökologischen Zustand der Bäche und Flüsse. Besonders betroffen sind die kleineren Gewässer II. und III. Ordnung.
Vom 01.11.2021 bis zum 04.08.2022 fielen in Nordbayern nur 473 mm Niederschlag. Das entspricht lediglich 78% des langjährigen Mittels. Sämtliche Fließgewässer II. und III. Ordnung führen inzwischen Niedrigwasser und die Situation wird sich den Wetterprognosen nach noch verschärfen. Inzwischen leidet durch die niedrigen und sehr niedrigen Abflüsse vor allem in kleineren Gewässern die Gewässerökologie. Hiervon betroffen sind Fische, kleinere Lebewesen und Pflanzen. Eine Entspannung wird es erst wieder nach länger anhaltenden ergiebigen Niederschlägen geben, die derzeit nicht in Aussicht sind. Das
Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg hält es daher für erforderlich, dass zeitnah gemäß Art. 18 Abs. 3 BayWG mittels Allgemeinverfügung der wasserrechtliche Gemein-, Eigentümer- und Anliegergebrauch für die Entnahme von Wasser aus Oberflächengewässern im Landkreis Aschaffenburg eingeschränkt bzw. untersagt wird.
In Anbetracht der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburgs und der vorliegenden Informationen beim Landratsamt Aschaffenburg über den Zustand der Fließgewässer im Landkreisgebiet führt die Ausübung des Gemein-, Eigentümer- und Anliegergebrauchs zu nachteiligen Auswirkungen auf die Gewässer II. und III. Ordnung und damit zu einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts. Den Gewässern wird hierdurch Wasser entnommen, was für den Schutz der Gewässerökologie, die Aufrechterhaltung der Durchgängigkeit und das Überleben von Gewässerorganismen in der gegenwärtigen Lage dringend erforderlich ist.
Der Erlass dieser Allgemeinverfügung – insbesondere die Untersagungen in der Ziffer II.1. und II.2. – erfolgen in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch das Landratsamt Aschaffenburg. In Anbetracht der seit Wochen bzw. Monaten fehlenden Niederschläge und der niedrigen Wasserstände ist ein Einschreiten des Landratsamtes Aschaffenburg erforderlich und geboten. Die in der Allgemein-verfügung ausgesprochene Untersagungen sind auch verhältnismäßig. Sie sind geeignet, um nachteilige Auswirkungen auf die Gewässer II. und III. Ordnung im Landkreisgebiet zu vermeiden. Sie sind erforderlich, da mildere Mittel nicht ersichtlich sind, um schädliche Gewässerveränderungen i. S. d. § 3 Nr. 10 WHG zu vermeiden. Insbesondere bei den Gewässern II. und III. Ordnung im Landkreisgebiet, die derzeit allesamt einen sehr niedrigen Wasserstand aufweisen oder stellenweise bereits ausgetrocknet sind, können bereits Entnahmen mittels Handschöpfgefäßen in nur geringem Umfang (z. B. aufgrund ihrer Summenwirkung) dazu führen, dass hierdurch schädliche Gewässerveränderungen entstehen und die Tier- und Pflanzenwelt des Gewässers nachteilig beeinflusst werden. Die Untersagungen sind auch angemessen, da der Schutz der Fließgewässer und ihrer Lebewesen vor nachteiligen Auswirkungen durch die Wasserentnahmen vorliegend die Einschränkungen für Berechtigte, die Gewässer im Rahmen des Gemein-, Eigentümer- und Anliegergebrauchs zu benutzen, überwiegt. Zwar greifen die Untersagungen in die Befugnisse der Berechtigten i. S. d. Art. 18 BayWG i. V. m. § 25 WHG sowie § 26 WHG ein, die Ausübung des Gemein-, Eigentümer- und Anliegergebrauchs steht jedoch bereits aufgrund dieser Rechtsvorschriften unter dem Vorbehalt, dass keine erhebliche Beeinträchtigung der Gewässer und der Tier- und Pflanzenwelt oder eine wesentliche Verminderung der Wasserführung zu erwarten sind. Der Schutz der Fließgewässer als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen (siehe § 1 WHG) steht unter besonderem verfassungsmäßigem Schutz (Art. 20a Grundgesetz- GG). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Allgemeinverfügung ausschließlich auf die Gewässer II. und III. Ordnung mit den derzeit sehr niedrigen Wasserständen beschränkt – der Main (Gewässer I. Ordnung) mit seinem vergleichsweise noch höheren Wasserstand ist hiervon ausdrücklich ausgenommen. Darüber hinaus behält die Allgemeinverfügung ihre Gültigkeit nur bis zum 30.09.2022 und damit solange, wie nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg der Gemein-, Eigentümer- und Anliegergebrauch in Anbetracht der ausbleibenden und derzeit nicht prognostizierten Niederschläge, zu nachteiligen Auswirkungen auf die oberirdischen Fließgewässer führt. Für bestimmte Fallgestaltungen besteht zudem nach Ziffer II. 3. die Möglichkeit auf Antrag eine Ausnahme zu erteilen, wenn
überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern oder das Verbot im Einzelfall zu einer unbilligen Härte für die Berechtigten führt.
Die Allgemeinverfügung ist gem. Art. 41 Abs. 3 Satz 2 Bayerisches Verwaltungs-verfahrensgesetz (BayVwVfG) öffentlich bekannt zu machen. Die Voraussetzung der Untunlichkeit ist zu bejahen, weil die Untersagung der Wasserentnahme zum Schutz der Gewässer II. und III. Ordnung eilig ist und die einzelnen Betroffenen nicht schnell genug zu erreichen sind. Die Gültigkeit und Bekanntgabe dieser Allgemeinverfügung ab dem Tag nach ihrer ortsüblichen Bekanntgabe in der Ziffer II. 5. stützt sich auf Art. 41 Abs. 4 Satz 4 BayVwVfG.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Ziffer II. 4. stützt sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hiernach kann die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der umgehenden Umsetzung des Verwaltungsaktes besteht, welches schwerer wiegt als das Interesse der Betroffenen. Erforderlich ist ein besonderes Vollzugsinteresse, dass über jenes hinausgeht, welches den Verwaltungsakt rechtfertigt. Die sofortige Vollziehung dieser Allgemeinverfügung erfolgt im besonderen öffentlichen Interesse am umgehenden Schutz der oberirdischen Gewässer II. und III. Ordnung im Landkreisgebiet sowie der darin lebenden Tier- und Pflanzenarten. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Allgemeinverfügung hätte für die o. g. Fließgewässer zur Folge, dass weiterhin Wasser im Rahmen des Gemein-, Eigentümer- und Anliegergebrauchs entnommen werden kann und somit – u. a. aufgrund der Summenwirkung – schädliche Gewässerveränderungen i. S. d. § Nr. 10 WHG sowie nachteilige Auswirkungen auf die Gewässerorgansimen zu erwarten sind. Im Ergebnis würde die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln (Suspensiveffekt) nach § 80 Abs. 1 VwGO gegen die Allgemeinverfügung aus Sicht des Gewässerschutzes zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen und rechtfertigt von der Regel der aufschiebenden Wirkung abzuweichen. Nach Abwägung der Interessen der Berechtigten an der Wasserentnahme im Rahmen des Gemein-, Eigentümer- und Anliegergebrauchs mit dem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse der Maßnahme zum umgehenden Schutz der Gewässer, haben die Interessen der Berechtigten zurückzustehen.
IV. Hinweise:
– Diese Allgemeinverfügung liegt mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung beim Landratsamt Aschaffenburg, Bayernstraße 18, 63739 Aschaffenburg, Untere Wasserbehörde, Zimmer B-3.24, zur Einsicht aus. Sie kann – möglichst nach vorheriger Terminvereinbarung – unter der Telefonnummer: (06021) /394-402 – während der allgemeinen Dienstzeiten des Landratsamtes Aschaffenburg eingesehen werden.
Diese Allgemeinverfügung ist unter der Rubrik „Amtliche Bekanntmachungen“ auf der Internetseite des Landratsamtes Aschaffenburg einsehbar.
– Die Einhaltung dieser Allgemeinverfügung wird überwacht. Bei Zuwiderhandlungen gegen diese Allgemeinverfügung können Bußgelder gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 WHG bis zu einer Höhe von 50.000 Euro (Verstoß gegen die Ziffer II.2.) und gemäß Art. 18 Abs. 1 Nr. 5a) BayWG in einer Höhe bis zu 5.000 Euro (Verstoß gegen die Ziffer II. 1.) verhängt werden.
– Eine Verlängerung des Zeitraumes der Gültigkeit dieser Allgemeinverfügung ist bei weiterer Fortdauer der angespannten hydrometerologischen Lage möglich.
V. Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage erhoben werden bei dem
Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg in 97029 Würzburg,
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung:
Die Einlegung des Rechtsbehelfs ist schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch in einer für den Schriftformersatz zugelassenen Form möglich. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail ist nicht zugelassen und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen!
Ab 01.01.2022 muss der in § 55 d VwGO genannte Personenkreis Klagen grundsätzlich elektronisch einreichen. Kraft Bundesrechts wird in Prozessverfahren vor den Verwaltungsgerichten infolge der Klageerhebung eine Verfahrensgebühr fällig.